Wie stabil ist die Eurozone?

Prof. Volker Wieland Ph.D.

Kernaussagen

  • Der Euro holt gegenüber dem US-Dollar auf, Verbraucherpreise beginnen zu sinken. Damit stellen einige die Frage, ob die Inflationskrise überwunden und die Stabilität des Euros und der Währungsunion für die Zukunft gesichert ist.
  • Der politische Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) wächst, die Zinsen nicht weiter zu erhöhen. Zeitgleich sollen die europäischen Fiskalregeln aufgeweicht werden. Solange jedoch an der Tragfähigkeit der Staatsfinanzen in einigen Euro-Ländern gezweifelt werden muss, wären eine Lockerung der Geldpolitik und der Fiskalregeln fehl am Platz.
  • Um die Stabilität der Eurozone zu gewährleisten, sollte die EZB Kurs halten und die Zinsen weiter anheben. Die Fiskalregeln sollten zudem einfacher, transparenter und ihre Bindungswirkung erhöht werden, indem auch der diskretionäre Spielraum der Europäischen Kommission begrenzt wird.
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Wieviel Fortschritt wagt die neue Bundesregierung?

Lars Feld / Jörg König

Kernaussagen

  • Die neue Bundesregierung möchte „mehr Fortschritt wagen“ und plant ein „Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“. Gestaltungswillen und Reformbereitschaft zeigt sie vor allem in der Digitalisierungs- und Klimapolitik. In der Sozialpolitik drohen jedoch Rückschritte. Die Rentenpolitik zeugt angesichts des demografischen Wandels von Realitätsverlust.
  • Eine überzeugende Darlegung der Investitionsbedarfe und Finanzierungsmaßnahmen fehlt. Umso wichtiger ist das Bekenntnis zur Schuldenbremse und zu einer Überprüfung staatlicher Ausgaben und Subventionen. Zukunftsinvestitionen erfordern nicht zwingend mehr öffentliche Kredite, sondern Erleichterungen für die Umsetzung von Investitionen und eine Verbesserung der Standortattraktivität. Konkrete Maßnahmen wie etwa eine Steuerreform finden sich im Koalitionsvertrag allerdings kaum.
  • Angesichts zunehmender staatlicher Ausgaben- und Verschuldungsbestrebungen im Inland sowie in der EU wäre die neue Bundesregierung aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP gut beraten, nicht die Fehler der ersten sozialliberalen Ära ab 1969 zu wiederholen. Wie in der Digitalisierungs- und Klimapolitik sollte sie auch in der Sozial- und Finanzpolitik darum bemüht sein, nachhaltig zu agieren und die Belastungen für kommende Generationen zu berücksichtigen.
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Lehren aus der Krise: Was sich der Staat vom Markt abschauen kann

Justus Haucap

Kernaussagen

  • Die Corona-Pandemie hat die Schwächen des Staates als Krisenmanager offenbart. Während private Unternehmen in absolutem Rekordtempo Impfstoffe entwickelt, Masken genäht und in Hygienekonzepte investiert haben, fehlt diese Dynamik beim Staat. Es gibt eine Reihe von Gründen für diese eklatanten Unterschiede, woraus sich mögliche Reformen für Staat und Verwaltung ableiten lassen.
  • Nach der Krise sollte systematisch überprüft werden, ob in der öffentlichen Verwaltung stärker (1) auf private Anbieter für die Erfüllung mancher staatlichen Aufgaben zurückgegriffen werden kann; (2) Wettbewerbselemente genutzt werden können; (3) Leistungsprämien eingesetzt werden als bisher. Zudem ist (4) eine Überprüfung der Zuständigkeiten im föderalen System nötig.
  • Es ist an der Zeit, dass der Staat sich bei Unternehmen einiges abschaut und in diesem Sinne unternehmerischer wird – das heißt aber nicht, dass er sich weiter ausdehnen und versuchen sollte Dinge zu managen, für welche Bürokratien wenig geeignet sind.
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Eine Gesellschaft mit gebundenem Vermögen – Risiken und Nebenwirkungen

Barbara Bültmann

Kernaussagen

  • Man kann die vorgeschlagene neue Rechtsform einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (zunächst: „Gesellschaft in Verantwortungseigentum“) als zusätzliches Angebot und Wettbewerb befürworten. Echter Wettbewerb setzt jedoch voraus, dass ein gewisses „level-playing-field“ herrscht. Daran fehlt es allerdings, wenn diese Unternehmensform im Vergleich zu anderen als vermeintlich „gutes“, „nachhaltigeres“ oder „verantwortlicheres“ Unternehmertum hervorgehoben und ggf. sogar privilegiert wird. Das Ansehen von Unternehmertum und Eigentum ist in Deutschland ohnehin zu Unrecht zurückgegangen, was sich durch solch eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „weniger guten“ Unternehmen noch beschleunigen würde.
  • Die unumkehrbare ewige Bestandsgarantie eines Unternehmens könnte Innovationen ausbremsen oder verhindern, wenn eine Reallokation des Kapitals in zukunftsträchtigere Bereiche oder sinnvolle Unternehmenszusammenschlüsse verhindert würde.
  • Der Vorschlag untergräbt die Bemühungen, mehr Mitarbeiterkapitalbeteiligungen, eine Stärkung der hiesigen Aktienkultur und eine möglichst breite Beteiligung an Produktivkapital und Kapitaleinkommen in der Bevölkerung zu erreichen.
  • Zentrale Anreizmechanismen und grundlegende Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft werden aufgeweicht und das Eigentumsrecht wird für diese Anteile in ein Eigentumsrecht light umgewandelt mit Folgen für das Verständnis von Eigentum im Ganzen.
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Problematische Entwicklungen in der Europäischen Sozialpolitik

Guido K. Raddatz

Kernaussagen

  • In Europa gibt es seit einigen Jahren Bestrebungen, die bisher größtenteils in nationaler Zuständigkeit liegende Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik stärker zu vereinheitlichen und durch EU-Vorgaben auszubauen. Auf dem Europäischen Sozialgipfel in Porto am 7. und 8. Mai 2021 soll das Ziel bekräftigt werden, die bisher rechtlich unverbindliche Europäische Säule sozialer Rechte durch konkrete Initiativen und Regulierungsvorhaben auf Basis des im März von der Kommission vorgelegten Aktionsplans voranzubringen.
  • Diese Pläne sind kritisch zu sehen und nicht geeignet, die Erfolgsgeschichte des Binnenmarktes und der europäischen Integration fortzuschreiben. Eine stärkere Zentralisierung der Sozialpolitik würde das Subsidiaritätsprinzip aushöhlen und wäre wohl der Einstieg in eine dauerhafte Transferunion bislang nicht gekannten Ausmaßes. Damit aber drohten nicht nur zahlreiche Fehlanreize und Governance Probleme, sondern am Ende auch ein weiteres Erstarken antieuropäischer Kräfte. Außerdem stellen einheitliche Sozialstandards ein subtiles, aber wirkungsvolles Protektionismusinstrument zugunsten der wohlhabenderen Staaten dar, während wirtschaftlich schwächere Mitgliedstaaten in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt und der europäische Konvergenzprozess behindert werden.
  • Die dezentrale Verortung der arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Zuständigkeiten auf der Ebene der Mitgliedstaaten weist zahlreiche Vorteile auf: Neben der Berücksichtigung regionaler Präferenzunterschiede der Bürger sowie historisch gewachsener Unterschiede ermöglicht der Status quo den Mitgliedstaaten, passgenaue Lösungen für ihre jeweils spezifischen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Herausforderungen zu finden. Zudem wird institutioneller Wettbewerb und gegenseitiges voneinander Lernen (Föderalismus als Experimentierlabor) ermöglicht.
  • Eine Verlagerung nationaler Kompetenzen auf die europäische Ebene ist dort sinnvoll, wo es um europäische öffentliche Güter, die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes oder die Handlungsfähigkeit der EU gegenüber Drittstaaten geht. Die Sozialpolitik zählt allerdings größtenteils nicht dazu.
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Staatsverschuldung unter Niedrigzinsen – Kein Übermut beim fiskalpolitischen Seiltanz

Fulko Lenz

Kernaussagen

  • Der derzeit von vielen Seiten propagierte fiskalische Paradigmenwechsel in Richtung dauerhaft höherer und krisenunabhängiger Verschuldung birgt erhebliche Risiken.
  • Die vermuteten Verschuldungsspielräume – deren tatsächliche Grenzen niemand kennt – beruhen auf der kaum realistischen Annahme dauerhaft niedriger Zinsen und ignorieren fahrlässig bereits absehbare Haushaltsbelastungen durch die Sozialversicherungen.
  • Das Argument, Schulden seien wegen der parallelen Vererbung von spiegelbildlichen Staatsanleihen keine Belastung kommender Generationen, ist ein schlecht getarntes Ablenkungsmanöver, da intransparente Verteilungskonflikte entstünden, deren Verlierer erhebliche Belastungen zu tragen hätten.
  • Durch die Lockerung von Verschuldungsregeln erhoffte Wachstumsimpulse dürften an den anders gelagerten politischen Ausgabenprioritäten in einer alternden Gesellschaft scheitern.
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Finanzierungsneutralität im Steuerrecht: Lernen aus der Krise

Barbara Bültmann

Kernaussagen

  • In der Krise zeigen sich die Schwächen der deutschen Unternehmensbesteuerung.
  • Neben der beschränkten Verlustnutzung und den ertragsunabhängigen Elementen in der Besteuerung liegt insbesondere die steuerliche Behandlung der Eigenkapitalfinanzierung im Argen. Eigenkapitalkosten sind steuerlich – anders als Fremdkapitalkosten – grundsätzlich nicht abzugsfähig. So werden Anreize gesetzt, Unternehmen eher mit Fremdkapital auszustatten. In der Krise sind eine gute Eigenkapitalausstattung und Liquiditätsreserven jedoch für den wirtschaftlichen Fortbestand von Unternehmen von besonderer Bedeutung.
  • Die steuerliche Benachteiligung von Eigenkapitalfinanzierung trifft insbesondere neugegründete Unternehmen, denen aufgrund fehlender Sicherheiten oder geringem Cash-flow häufig keine Fremdkapitalfinanzierung zugänglich ist.
  • Die Einführung eines Abzugs kalkulatorischer Eigenkapitalzinsen oder vergleichbarer Regelungen würde diese Unwucht beseitigen, Anreize für eine bessere Eigenkapitalausstattung bieten und die Unternehmen dadurch auch für die Zukunft weniger krisenanfällig machen.
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Digitales Tracking im Kampf gegen COVID-19? Verhältnismäßige und freiwillige Lösungen ja, Blankoschecks für staatliche Überwachung nein

Fulko Lenz

Kernaussagen

  • Angesichts der dramatischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und gesundheitlichen Nebenwirkungen der zur Eindämmung von COVID-19 erfolgten Grundrechtsbeschränkungen, gilt es Wege zu finden, diese schnellstmöglich zu beenden und in einem ersten Schritt zielgenauer auszugestalten. Wenn der Einsatz digitalen Trackings einen entscheidenden Beitrag dazu leisten kann, darf er nicht von vorneherein mit Denkverboten belegt werden.
  • Statt schwammig formulierter Blankoschecks für weitreichende staatliche Überwachung müssen klar definierte Maßnahmen zur Diskussion gestellt werden, bei denen eine transparente Überprüfung von Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit erfolgen kann. In eine sorgfältige Abwägung von Rechten und Schutzinteressen ist auch der Datenschutz einzubeziehen.
  • Bei der möglichen Verwendung von Tracking-Apps, deren Wirksamkeit sich erst noch erweisen muss, sollte ein Ansatz verfolgt werden, der auf Freiwilligkeit und Kooperationsbereitschaft setzt und den behördlichen Datenzugriff auf das absolute Minimum reduziert.
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Das Rührei des Kolumbus: Die GroKo-„Grundrente ohne mit“

Michael Eilfort

Kernaussagen

  • Die geplante Grundrente hilft vor allem der GroKo, beschenkt viele ohne echte Not und hilft nur wenigen Bedürftigen wirklich.
  • Ein wenig gutgemeinter Respekt für unterschiedliche Leistungsprofile innerhalb niedrigerer Lohnbereiche kontrastiert mit maximaler Respektlosigkeit gegenüber vielen, die mehr geleistet haben, keinen Grundrentenzuschlag, aber am Ende nicht mehr als „Grundrentner“ bekommen. Es entstehen mehr Gerechtigkeitslücken als bekämpft werden und eigene Anstrengung rechnet sich in vielen Fällen nicht mehr.
  • Ein weiteres Milliardengeschenk für die insgesamt bestgestellte Rentnergeneration aller Zeiten spricht der Generationengerechtigkeit Hohn und auch den Grundprinzipien des Sozialstaats: Wer Fürsorgeleistungen erhalten will, muss diese begründen und seine Bedürftigkeit offenlegen.
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Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags – eine Frage des Rechts und des Anstands

Barbara Bültmann

Kernaussagen

  • Die Forderung nach einer kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlags ist zuallererst keine Entlastungsfrage, sondern eine Frage der Rechtsstaatlichkeit.
  • Der Solidaritätszuschlag muss in der laufenden Legislaturperiode vollständig abgeschafft werden, da mit Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 die Grundlage für die Erhebung entfällt.
  • Die Politik steht in der Pflicht, ihre Glaubhaftigkeit zu wahren und sich rechtstreu zu verhalten.
  • Aufkommensfragen oder vermeintliche Gerechtigkeitsfragen dürfen der Rechtstreue nicht vorangestellt werden.
  • Wer die Progression will, muss die Regression ertragen.
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