Eine Gesellschaft mit gebundenem Vermögen – Risiken und Nebenwirkungen

Barbara Bültmann

Kernaussagen

  • Man kann die vorgeschlagene neue Rechtsform einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (zunächst: „Gesellschaft in Verantwortungseigentum“) als zusätzliches Angebot und Wettbewerb befürworten. Echter Wettbewerb setzt jedoch voraus, dass ein gewisses „level-playing-field“ herrscht. Daran fehlt es allerdings, wenn diese Unternehmensform im Vergleich zu anderen als vermeintlich „gutes“, „nachhaltigeres“ oder „verantwortlicheres“ Unternehmertum hervorgehoben und ggf. sogar privilegiert wird. Das Ansehen von Unternehmertum und Eigentum ist in Deutschland ohnehin zu Unrecht zurückgegangen, was sich durch solch eine Unterscheidung zwischen „guten“ und „weniger guten“ Unternehmen noch beschleunigen würde.
  • Die unumkehrbare ewige Bestandsgarantie eines Unternehmens könnte Innovationen ausbremsen oder verhindern, wenn eine Reallokation des Kapitals in zukunftsträchtigere Bereiche oder sinnvolle Unternehmenszusammenschlüsse verhindert würde.
  • Der Vorschlag untergräbt die Bemühungen, mehr Mitarbeiterkapitalbeteiligungen, eine Stärkung der hiesigen Aktienkultur und eine möglichst breite Beteiligung an Produktivkapital und Kapitaleinkommen in der Bevölkerung zu erreichen.
  • Zentrale Anreizmechanismen und grundlegende Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft werden aufgeweicht und das Eigentumsrecht wird für diese Anteile in ein Eigentumsrecht light umgewandelt mit Folgen für das Verständnis von Eigentum im Ganzen.

Der Vorschlag, eine neue Rechtsform für Unternehmen, die „GmbH mit gebundenem Vermögen“ (zunächst: „Gesellschaft in Verantwortungseigentum“), einzuführen, hat viel Aufsehen erregt. Bei dieser Unternehmensform hätten die Gesellschafter keinen Zugriff auf die Unternehmensgewinne, die dem Unternehmen für die dauerhafte Finanzierung zur Verfügung stünden.

Über eine Gesellschaft mit gebundenem Vermögen sollen Firmengründer sicherstellen können, dass sich die Betriebe in ihrem Sinne dauerhaft fortführen lassen und Gewinne im Betrieb verbleiben. Dies soll über die Trennung von Stimmrechten und Vermögen gewährleistet werden.

Wie wäre die neue Gesellschaftsform gekennzeichnet?

  • Rechtsform einer GmbH mit besonderen Merkmalen.
  • Die Rechtsform soll den Namen „GmbH mit gebundenem Vermögen“ (zunächst: „Gesellschaft in Verantwortungseigentum“) tragen.
  • Die Lenkungsmacht (d.h. die Stimmrechte) über das Unternehmen bleibt beim Verantwortungseigentümer.
  • Die Eigentümer haben keinen Zugriff auf den Unternehmensgewinn und das in der Gesellschaft gebundene Vermögen, allenfalls die ursprüngliche Einlage kann zurückgewährt werden.
  • Unternehmen können weiterhin gewinnorientiert am Markt tätig sein und sind nicht notwendigerweise auf einen besonderen gemeinwohlfördernden Zweck verpflichtet.
  • Der Zweck des Unternehmens ist nicht in erster Linie die Vermögensmehrung der Gesellschafter, sondern die Selbstständigkeit des Unternehmens.

Als Begründung für die Notwendigkeit einer neuen Rechtsform wird unter anderem angeführt, dass existierende Stiftungskonstruktionen für viele Unternehmen oftmals keine Alternative böten, da sie rechtlich zu kompliziert, aufwendig und teuer seien. Bei der Übergabe von Gesellschaften in Verantwortungseigentum würden weniger Steuern anfallen als bei Firmen, die in anderen Rechtsformen organisiert sind, weil der eigentliche Unternehmenswert an Bedeutung verliert.

Befürworter erhoffen sich von dem Vorschlag die Lösung von Nachfolgeproblemen für viele Unternehmen in Deutschland. Menschen, die geeignet und gewillt wären, ein Unternehmen fortzuführen, sich aber weder den Kauf noch eine etwaige Schenkungssteuer leisten könnten, soll eine Nachfolgeperspektive eröffnet werden. Vererbung sei als Auswahlkriterium für den nachfolgenden Geschäftsführer unzulänglich. Allerdings fehlt bislang der Nachweis, dass die Übergabe an „Werte- und Fähigkeitsverwandte“ ein besseres Kriterium wäre, deren Auswahl oft auf Basis persönlicher Vorlieben oder Beziehungen erfolgt.

Nachdem der Vorstoß viel Aufmerksamkeit, aber auch viel Kritik hervorgerufen hat, wurde der Vorschlag angepasst:

  • Änderung der Bezeichnung zu „GmbH mit gebundenem Vermögen“,
  • zusätzliche Voraussetzungen für den Vermögensbindungsbeschluss,
  • weitere Absicherung der Vermögensbindung und Verhinderung von Missbrauch durch
    • Vorgaben zur Unternehmensfinanzierung,
    • verbindliche Vorgaben zur Governance,
    • Vorschlag einer Regelung im Gesellschaftsvertrag zur Verhinderung einer Anteilveräußerung über dem Nominalwert,
    • Verhinderung der Privatisierung des Liquidationserlöses,
  • verbesserter Gläubigerschutz durch Anspruch auf Sicherheitsleistung,
  • Klarstellungen im Hinblick auf die steuerliche Behandlung.

Man mag die Idee einer neuen Gesellschaftsform im Sinne eines zusätzlichen Angebots und Wettbewerbs begrüßen, insbesondere wenn dieses Angebot die Nachfolgesuche für Unternehmen tatsächlich erleichtern würde. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass mit der neuen Rechtsform keinerlei Privilegien verbunden werden, ob steuerlich, bei öffentlicher Auftragsvergabe, Fördermitteln, Regulierung etc. Daran darf aufgrund schon erfolgter politischer Absichtserklärung gezweifelt werden.

Bei näherer Betrachtung zeigen sich zudem viele Unwuchten, Nebenwirkungen und weiterführende Risiken, die es zu bedenken gilt:

  • So wäre es ein falsches politisches Signal, wenn die Schaffung des Begriffs eines Unternehmens mit gebundenem Vermögen dazu führt, dass herkömmliches Unternehmertum mit Gewinnstreben, Eigenverantwortung und Haftung herabgesetzt und negativ konnotiert wird. Bereits jetzt beschränken sich viele Unternehmen selbst im Betrag der Ausschüttung, damit genug Gewinn für Investitionen im Unternehmen verbleibt. Zudem sind auch Gewinnausschüttungen alles andere als verantwortungslos.
  • Die Kritik am Begriff des „Verantwortungseigentums“ wurde durch die neue Begrifflichkeit des gebundenen Vermögens nur teilweise entkräftet. Denn mit der Einführung der neuen Rechtsform wird weiterhin subtil zwischen „gutem und verantwortungsvollem“ Unternehmertum und herkömmlichem Unternehmertum unterschieden. Es bleibt der unterschwellige Eindruck, dass herkömmliches Unternehmertum mit Gewinnstreben, Eigenverantwortung und Haftung weder nachhaltig noch verantwortungsbewusst sei. In Zeiten von Corona, nachdem viele Unternehmer mit großem Einsatz und privatem Kapital dazu beigetragen haben, Unternehmen und Arbeitsplätze zu erhalten, ist dies verfehlt. Unternehmerischem Handeln und wirtschaftlichem Erfolg wird in Deutschland ohnehin zunehmend mit Misstrauen begegnet. Dabei sind diese für den Standort Deutschland und die Arbeitsplätze hierzulande von immenser Bedeutung.
  • Die unumkehrbare Festschreibung der Rechtsform des Unternehmens auf Ewigkeit kann möglicherweise unerwünschte langfristige Effekte haben, wenn Unternehmensgewinne für immer im Unternehmen verbleiben müssen bzw. nur Mitarbeitern zugutekommen können und eine breite, gesellschaftliche Beteiligung am unternehmerischen Erfolg über Kapitalmärkte auf Dauer ausgeschlossen ist. Wenn Unternehmen wie Google, Amazon oder Facebook als Verantwortungseigentum entstanden wären, hätten Kleinanleger keinerlei Möglichkeit gehabt, an den hohen Wertzuwächsen und Gewinnen teilzuhaben. Ebenso wäre das Steueraufkommen der Kapitalgewinnbesteuerung der Allgemeinheit verwehrt geblieben.
  • Die Erfahrungen mit der Unternehmenssteuerreform 2008 machen wenig Mut für derartige Vorstöße: Damals sollten im (Familien-)Unternehmen verbleibende Gewinne steuerlich begünstigt werden, wurden dann aber durch den Gesetzgeber so rigide-misstrauisch gebunden, dass die Bindung einem Begräbnis gleichkam. Unternehmen und ihr Kapital müssen auch beweglich bleiben.
  • Politische Bestrebungen, Mitarbeiterkapitalbeteiligungen und die hiesige Aktienkultur zu stärken und eine möglichst breite Beteiligung an Produktivkapital und Kapitaleinkommen in der Bevölkerung zu erreichen, werden in Frage gestellt.
  • Der Vorschlag zementiert Besitzstände, da nachfolgende Unternehmenseigner von Vermögenszuwächsen nicht profitieren.
  • Die Initiative eröffnet steuerlichen Gestaltungsspielraum, der missbraucht werden könnte. Nach der Logik des Vorschlags könnten Unternehmensanteile bei Übertragung (Erbschafts- oder Schenkungssteuer) oder für Zwecke einer eventuellen Vermögensteuer niedriger bewertet werden als andere Unternehmensanteile und so Steuern gespart werden. Die dauerhafte Vermögensbindung müsste sichergestellt werden – mit den genannten Nachteilen.
  • Der Vorschlag schaltet grundlegende und für eine marktwirtschaftliche Ordnung existenzielle Anreizmechanismen aus. Die Erträge und Vermögensmehrung bleiben dem Zugriff der Gesellschafter entzogen. Unternehmenslenker haben weniger finanzielle Anreize, den Unternehmenswert oder die Erträge zu erhöhen, was mit einer Reduzierung der Innovationstätigkeit einhergehen kann.
  • Die Anreizsetzung für Unternehmer soll in der GmbH mit gebundenem Vermögen über eine attraktive Vergütung der Unternehmer und intrinsische Motivation erfolgen. Attraktive Vergütungen werden auch im Angestelltenverhältnis gewährt. Unternehmertum zeichnet sich darüber hinaus über Verantwortung, Identifikation und Risikobereitschaft aus, denen ein möglicher unternehmerischer Gewinn gegenübersteht. Die Bindung an und Identifikation mit einem bestimmten Unternehmen, die beispielsweise auch durch eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung befördert werden sollen, unterbleiben, wenn zentrale Anreizmechanismen außer Kraft gesetzt werden.
  • Eine solche Gesellschaftsform hätte das Aufgeben wesentlicher Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zur Folge, nämlich die Koppelung von Eigentum und Verantwortung, von Risiko und Haftung. Unternehmenslenker sind von Fehlentscheidungen weniger betroffen, wenn sie an Ertrags- und Vermögensminderungen nicht partizipieren.
  • Der Eigentumsbegriff würde aufgeweicht, da wesentliche Bestandteile des Eigentumsrechts, wie die Verwertungsbefugnis und die Fruchtziehung, dem Eigentümer dauerhaft und irreversibel entzogen würden. Dies kann das Verständnis und den Schutz von Eigentum langfristig verändern.
  • Eine ewige Bestandsgarantie für Unternehmen ist nicht erstrebenswert: Ein Unternehmen mit einer – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr zukunftsfähigen Geschäftsgrundlage könnte wohl kaum aufgelöst werden, um damit schnell eine produktivere und zukunftsfähigere Verwendung des bis dato gebundenen Kapitals zu ermöglichen. Stattdessen steht zu befürchten, dass das gebundene Kapital auf dem sinkenden Schiff „gefangen“ wäre, also über einen langen Zeitraum kontinuierlich schwinden würde und damit eine Reallokation des Kapitals – aber auch von Arbeitsplätzen – hin zu effizienteren Verwendungszwecken deutlich verlangsamt oder erschwert würde.
  • Innovation und Effizienz ergeben sich nicht unbedingt durch eine perpetuierte Selbstständigkeit eines Unternehmens, sondern können auch durch Übernahmen oder im Rahmen von Umstrukturierungen entstehen.
  • Die im Vergleich zum ersten Entwurf verbesserte Absicherung gegen Missbrauch ist im Grunde zu begrüßen. Die Änderungen zum Gläubigerschutz überzeugen nicht ganz: Bei einer Pfändung des Gesellschaftsanteils könnten die Gläubiger eines Gesellschafters (ebenso wenig wie dieser selbst) nicht auf das in der Gesellschaft gebundene Vermögen zugreifen. Mit Einbringung in die Gesellschaft kann Vermögen ihrem Zugriff entzogen werden. Der neue Entwurf sieht einen Anspruch auf Sicherheitsleistung vor, der die Position der Gläubiger verbessert.   
  • Dem Argument der Initiatoren, dass eine Stiftung zu komplex, unflexibel, aufwändig, teuer und bürokratisch und darum für kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups nicht geeignet sei, kann nur bedingt gefolgt werden. Das Stiftungsrecht bietet bereits jetzt auch für solche Unternehmen Lösungen. Selbst wenn diese bislang nicht attraktiv genug gewesen wären, so könnte dies auch über eine (weitere) Reform des Stiftungsrechts erreicht werden, anstatt eine zusätzliche Rechtsform einzuführen.
  • Die GmbH mit gebundenem Vermögen droht zu einer Stiftung ohne Aufsicht zu geraten, da sie keiner Kontrolle wie der Stiftungsaufsicht unterliegt.

Der Vorschlag einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen hat erhebliche Schwächen. Er basiert auf der Prämisse, dass der Fortbestand eines Unternehmens stets und in Ewigkeit erstrebenswert ist, beschneidet zugleich die Eigentumsrechte nachfolgender Generationen und die Handlungsfähigkeit der Verantwortungsunternehmer. Es bestehen Zweifel, ob die vorgeschlagene Gesellschaftsform überhaupt geeignet ist, die vorgegebenen Ziele zu erreichen und ob die Einführung einer neuen Unternehmensform eine Alternative im Sinne einer größeren Wahlmöglichkeit darstellt oder eher zu unlauterem Wettbewerb führt. 

Darüber hinaus muss in Frage gestellt werden, ob für die vorgeschlagene Rechtsform tatsächlich Bedarf besteht oder ob die angegebenen Ziele nicht durch vertragliche Bindungen oder bestehende Rechtsformen wie ein vereinfachtes Stiftungsrecht abgedeckt werden könnten.