Die G20-Afrika-Partnerschaft – besser als ihr Ruf

Jörg König

Kernaussagen

  • Mit ihrem Fokus auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen steht die Afrika-Partnerschaft der G20 in der Kritik: Sie fördere Ausbeutung, unterminiere die UN-Nachhaltigkeitsziele und diktiere Regierungen von außen die Politik.
  • Das Gegenteil ist jedoch der Fall, da sie den Ländern ermöglicht, individuell und selbstbestimmt Maßnahmen zur Verbesserung der makroökonomischen, unternehmerischen und finanzmarktpolitischen Rahmenbedingungen auszuwählen.
  • Indem die G20-Partnerschaft auf die Eigenverantwortung afrikanischer Länder setzt, unterstützt sie auch die panafrikanische Vision eines souveränen Kontinents. Weitere Schritte sind jedoch nötig, wie beispielsweise eine wirkliche Marktöffnung der EU ohne versteckte Quoten und Subventionen.

Private Investitionen stehen vermehrt im Fokus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Die im Jahr 2017 unter deutscher G20-Präsidentschaft initiierte Afrika-Partnerschaft ist Vorreiter eines solchen multilateralen Ansatzes, der eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen anstrebt und auf Reformbereitschaft und Eigenverantwortung der afrikanischen Länder setzt. Vereinzelt wird jedoch unterstellt, bei der neuen G20-Afrika-Partnerschaft handele es sich um alten Wein in neuen Schläuchen, der neue Ausplünderungszyklen fördere und kaum im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen stehe. Wie ist diese Kritik zu bewerten?

Der Vorwurf, ausländische Investitionen würden Ausplünderungszyklen begründen, die die Bevölkerung rohstoffreicher Staaten in extreme Armut treiben, ist wissenschaftlich nicht haltbar. Führen Kapitalzuflüsse – ob durch Investitionen, klassische Entwicklungshilfe oder gestiegene Rohstoffpreise – dazu, dass ein Land in die wirtschaftliche Abhängigkeit immer weiterer Kapitalzuflüsse gerät, ohne davon entwicklungsökonomisch zu profitieren, hat der Misserfolg zumeist zwei Gründe: entweder korrupte Regime, die sich an den ausländischen Devisen auf Kosten der eigenen Bevölkerung bereichern, oder Strukturen, die einer effizienten Allokation des Kapitals im Wege stehen. Kommt es durch die Devisenzuflüsse zudem zu einer aufwertungsinduzierten Verdrängung des Exportsektors (Dutch Disease), können jedoch geeignete geld- und wirtschaftspolitische Maßnahmen die negativen Effekte kompensieren (wie in Botswana, Ghana und Äthiopien).

Allen Fällen gemein ist, dass die Empfängerländer nicht machtlos den Interessen der Kapitalgeber ausgeliefert sind, sondern dass eine (un)produktive Verwendung des Kapitals durch die politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vor Ort bestimmt wird und somit zunächst in der Eigenverantwortung der Empfängerländer liegt. Dies zeigen zahlreiche empirische Studien zu den Wachstumseffekten ausländischer Direktinvestitionen oder zur Effek­tivität klassischer Entwicklungshilfe: Der entwicklungsökonomische Erfolg des eingesetzten Kapitals ist in denjenigen Ländern am größten, die ein gewisses Maß an Humankapital, wirtschaftspolitischer Stabilität und freien Märkten auf­weisen. Unternehmensbefragungen der Weltbank zeigen zudem, dass in den Regionen Sub-Sahara Afrikas ein be­schränk­ter Zugang zu Finanzmitteln, Infrastrukturengpässe, eine hohe Schattenwirtschaft sowie politische und regu­lative Instabilität einer nachhaltigen Entwicklung von lokalen Unternehmen und Märkten am meisten im Wege stehen.

Keine Neuauflage des Washington Consensus

An diesen Erkenntnissen setzt die neue Afrika-Partnerschaft der G20 an. Sie ist, abgesichert durch staatliche Garantien, langfristig angelegt und steht grundsätzlich allen afrikanischen Ländern offen. Auf Ausschluss- oder Aufnahmekriterien wurde bewusst verzichtet. Teilnehmende Länder wählen dabei im Rahmen ihrer Investitionsvereinbarungen „Compacts with Africa“ (CwA) individuell und selbstbestimmt die für sie passenden Maßnahmen zur Verbesserung der makroöko­nomischen, unternehmerischen und finanzmarktpolitischen Rahmenbedingungen. Insofern stellen die CwA keinen alten Wein in neuen Schläuchen à la Washington Consensus – im Sinne einer verordneten Strukturanpassungspolitik – dar, sondern reflektieren vielmehr die Grundgedanken des 2008 veröffentlichten Wachstumsberichts unter der Leitung des Ökonomen Michael Spence. Darin wird mit der Vorstellung gebrochen, Lösungswege konkret vorgeben zu können: Für den entwicklungsökonomischen Erfolg gibt es nur Zutaten, keine Rezepte. Die im CwA-Katalog aufgelisteten, frei wählbaren Reformoptionen stellen eine solche Zutatenliste dar – nicht mehr, nicht weniger.

So ist die G20-Afrika-Partnerschaft auch im Rahmen der Agenda 2030 als Zutat zu betrachten. Selbstverständlich sollte die Initiative so viele Nachhaltigkeitsziele (SDGs) wie möglich berücksichtigen und unterstützen. Die SDGs 8 (menschen­würdige Arbeit & Wirtschaftswachstum), 9 (Industrie, Innovation & Infrastruktur), 16 (Justiz & Institutionen) und 17 (Partnerschaften für nachhaltige Entwicklung) werden dabei durch die CwA direkt adressiert, andere Ziele wie SDG 2 (Hunger beenden), 5 (Geschlechtergleichstellung) und 7 (bezahlbare und saubere Energie) durch weitere Initiativen im Rahmen der G20-Afrika-Partnerschaft. Darüber hinaus sollte ein angekurbeltes Wirtschaftswachstum positiv auf weitere Ziele wie die Reduktion von Armut (SDG 1) und gute Gesundheit (SDG 3) wirken. Für die Effizienz und Nachhaltigkeit der Investitionen wäre es aber hilfreich, wenn diese vor Ort auf gut ausgebildete Arbeitskräfte stoßen würden. Die Qualifi­kation lokaler Arbeitskräfte sollte daher stärker in den Fokus der G20 rücken, womit auch SDG 4 (hochwertige Bildung) besser berücksichtigt würde. Jedoch sollte bedacht werden, dass einzelne Initiativen wie die G20-Afrika-Partnerschaft nicht allen 17 SDGs und deren 169 Unterzielen gleichermaßen Rechnung tragen können. Anstatt einzelne Initiativen zu überfrachten, sollten negative Verteilungs- und Umweltwirkungen komplementär über andere Kanäle (ILO, UNEP) adressiert und die nationalen Regierungen für diese Themen stärker sensibilisiert werden, damit die Verursacher dieser Effekte die externen Kosten internalisieren.

Ein Beitrag zur Unabhängigkeit des Kontinents

Was sollte darüber hinaus getan werden? Indem die G20-Afrika-Partnerschaft auf die Eigenverantwortung afrikanischer Länder setzt, unterstützt sie auch die panafrikanische Vision eines souveränen Kontinents „The Africa We Want“ der Agenda 2063 der Afrikanischen Union. Wesentlicher Bestandteil der Vision ist die Schaffung einer Afrikanischen Frei­handelszone (AfCFTA). Die Wirtschaftskommission für Afrika der Vereinten Nationen (UNECA), die die Integrationsfort­schritte mithilfe des African Regional Integration Index (ARII) – dessen Konzeption auf dem Europäischen Integrationsindex (EU-Index) basiert – überwacht, schätzt die Handelssteigerungen durch AfCFTA auf 15-25 Prozent bis 2040. Die Mitglieder der G20 – allen voran die EU – sollten diese Bemühungen stärker unterstützen, da hierdurch lokale Wertschöpfungsketten gestärkt werden und ein zunächst regional ausgeweiteter Marktzugang Weg­bereiter für globale Verflechtungen sein kann.

Ein bedeutsamer Schritt wäre eine wirkliche Marktöffnung der EU ohne versteckte Quoten und Subventionen. Die EU gibt, bezogen auf die gemeinsame Entwicklungspolitik, etwa das Vierfache für Agrarsubventionen aus, die mit ihren handelsverzerrenden Wirkungen auch diejenigen Märkte hemmen, die die G20 mit den Investitionsabkommen zu fördern versucht. Der künftige mehrjährige Finanzrahmen der EU sollte entsprechen­de Umschichtungen im Budget vornehmen, um die wirtschaftliche Entwicklung und Unabhängigkeit Afrikas weiter zu stärken.

Zuvor erschienen als Gastbeitrag bei Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.