Volker Wieland
Kernaussagen
- Mit den zielgerichteten langfristigen Refinanzierungsgeschäften (TLTRO) hat die EZB eine neue Geldspritze kreiert. Damit soll sichergestellt werden, dass die Mittel tatsächlich in Kredite und damit in die Realwirtschaft fließen und nicht wie bisher größtenteils in Aktien, Anleihen oder Immobilien.
- Das mögliche Kreditvolumen wird auf insgesamt 400 Milliarden Euro geschätzt – und dies zu sehr günstigen Konditionen ohne Zinsänderungsrisiko.
- Ob das Geld das ausgewiesene Ziel wirklich erreicht, darf bezweifelt werden. Die Banken können die neu geschaffene Liquidität demnach in Staatsanleihen oder Wohnungsbaukredite investieren, nach Überschreiten einer Referenzgröße müssten diese zwei Jahre später lediglich wieder zurückgezahlt werden.
- Anstatt dass die EZB mit weiteren Milliarden versucht, die Kreditvergabe der Privatwirtschaft feinzusteuern, sollte sie die Banken besser selbst beurteilen lassen, welche potentiellen Schuldner bedient werden möchten.
Die Geldpolitik sei ein zu grobes Instrument, um die Stabilität der Finanzwelt zu sichern. State of the Art sei dagegen nur die makroprudentielle Politik oder „macro-pru“, wie der Kenner sagt. So oder ähnlich ist es zumindest in den diversen Fachzirkeln zu hören.
Neue Entscheidungsgremien stünden bereit. Mit flexibel handhabbaren Eigenkapitalanforderungen, zielgenauen Beleihungs- und Verschuldungsgrenzen, Gebühren und Steuern nicht zu vergessen, würden sie den animalischen Finanzmärkten bedarfsgerecht Futter geben oder den Hahn zudrehen.
Aber während Team Macro-Pru sich noch in der Aufwärmzone tummelt, haben die Geldpolitiker von der EZB vergangenen Donnerstag schon geliefert. Wieder einmal hat Mario Draghi die eigentliche Überraschung in der Pressekonferenz ausgepackt. Während die meisten Zuhörer gedanklich noch bei dem seit Wochen erwarteten negativen Einlagezins verweilten, also der Gebühr von zehn Basispunkten für die Nutzung der EZB-Einlagefazilität, breitete Draghi bereits die neu kombinierte makroprudentielle Geldpolitik aus.
TLTRO, „targeted long-term refinancing operations”, heißt das Produkt. Das offizielle deutsche Kürzel ist auch nicht zungenfreundlicher: GLRGs – gezielte langfristige Refinanzierungsgeschäfte. Flapsig ausgedrückt könnte man sagen eine Art Kreditpumpe für die Realwirtschaft mit eingebauter Blasenbremse, Fiskalhemmung und „Forward Guidance“. Auch wenn dies manchem zu wenig martialisch klinge sollte.
Das Angebot ist: vier Jahre Geld. Zum ersten Mal im September. Echt günstig. Nur zehn Basispunkte über dem geltenden Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte. Also voraussichtlich 0,25 Prozent fest von September 2014 bis September 2018. Auch eine Art der „Forward Guidance“.
Das Volumen ist begrenzt auf sieben Prozent der am 30.04.2014 ausstehenden Kredite an Haushalte und private Unternehmen. Wohnungsbaukredite zählen nicht und der Staat ist außen vor. Die EZB schätzt das mögliche Volumen auf 400 Milliarden Euro. Immerhin etwas über vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Euroland. Wer es im September nicht voll ausschöpft, darf im Dezember noch mal ran. Bis Juni 2016 sind weitere vierteljährliche Nachschläge möglich. Dabei steht dann das Dreifache der bis dahin zielgemäß vergebenen Neukredite (relativ zu einem Referenzwert) zur Disposition.
Man kann der EZB nun wirklich nicht mangelnde intellektuelle Kreativität vorwerfen. Zudem kann sie von sich behaupten, auf die Kritiker einzugehen, die vor einem übertriebenen Immobilienboom oder exzessiver staatlicher Schuldenwirtschaft warnen. Diese Maßnahme bleibt auch nicht ohne Wirkung. Schließlich kommt die Liquidität zu sehr günstigen Konditionen und ohne Zinsänderungsrisiko. Manche schwächelnde Bank dürfte Letzteres besonders schätzen.
Also der perfekte geldpolitische Stimulus zur rechten Zeit am rechten Ort?
Na ja, erst mal waren die Zinsen schon sehr niedrig und real gemessen negativ. Auch im historischen Vergleich war die EZB in ihrer Reaktion auf Inflations- und Wachstumsprognosen definitiv nicht zurückgefallen. Und der beschworenen Gefahr, dass anhaltend niedrige Inflationsraten einmal in Deflation umschlagen könnten, ist das Risiko von erneuten Übertreibungen bei den Vermögenspreisen entgegenzuhalten.
Nun gut, die EZB musste wohl schon deshalb handeln, weil sie es selbst einen Monat im Voraus versprochen hatte. Aber dafür hätte es ja auch genügt, den negativen Einlagezins einzuführen und die Wirkung dieses Experiments einmal isoliert zu betrachten.
In Bezug auf die makroprudentiellen „Features“ der Geldpolitik wurde zumindest in der anfänglichen Berichterstattung der Eindruck kolportiert, dass die Liquidität zielgerecht nur für private Unternehmen und Haushalte, und auch nicht für Immobilienkredite zur Verfügung stünde. Das ist so nicht richtig. Zunächst wird dies nur als Grundlage für den Liquiditätsanspruch herangezogen. Die Banken können die Notenbankliquidität dann auch in Staatsanleihen stecken oder den Wohnungsbau finanzieren. Sollten sie nach zwei Jahren nicht genügend neue Unternehmenskredite vergeben haben, müssen sie die GLRGs vorzeitig zurückzahlen. Deshalb geht im Markt wohl auch die Rede, dies entspräche einer zweijährigen LTRO, also einem langfristigen Refinanzierungsgeschäft „ohne Zielwasser“. Auch die später folgenden Nachschläge beziehen sich auf das Dreifache der Zielgruppenkredite. Somit bleibt Platz für anderes im Portfolio.
Ob das schlimm ist, liegt im Auge des Betrachters. Für meinen Teil hänge ich weiterhin der Ansicht an, dass es nicht Aufgabe der Notenbank ist, die Kreditvergabe feinzusteuern. Schließlich sollten die Banken selbst besser über die Kreditwürdigkeit und die Qualität der Projekte ihrer Schuldner Bescheid wissen. Jedenfalls wäre es besser gewesen, diese Kreditpumpe nicht jetzt anzuwerfen und sich auf eine strenge Prüfung der Bankbilanzen zu konzentrieren. Mittel für die Restrukturierung oder Abwicklung problematischer Fälle sollten dann gegebenenfalls vom Fiskus der Nationalstaaten gestellt werden. So könnten angebotsseitige Verstopfungen im Kreditkanal nachhaltig behoben werden.
Als ökonomischer Laie wage ich es trotzdem, die folgende Frage zu stellen:
Ausgangsthese:
Es scheint der einheitliche Wille der europäischen und vor allen Dingen der deutschen Politik zu sein (das gilt für alle im BT vertretene Parteien):
a) den Euro zu erhalten und
b) alle Staaten im Euro zu halten.
Jede deutsche Regierung – wie immer sie parteipolitisch zusammengesetzt sein mag, die auch nur andeutet, sie verweigere weitere Hilfszahlungen oder Hilfsmaßnahmen z.B. die der EZB, was dann zur Zahlungsunfähigkeit eines der Krisenländer führte, käme unter massivsten Druck der anderen Schuldner- und Krisenländer; besonders von Frankreich und Italien. Deutschland ist gefangen im Euro! Diesen Sachverhalt gilt es zu begreifen, zu akzeptieren und dann zu reflektieren.
Die Frage, die sich angesichts der katastrophalen finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Situation in den Südländern aufdrängt, lautet:
? Warum hält die deutsche und die europäische Politik auch in dieser verzweifelten Lage am Euro fest ?
Mein persönlicher Eindruck nach Lektüre hunderter von Artikeln, Berichten, Texten, Büchern, Blogs über die Eurokrise und die Situation in den südlichen Euroländern – nur Stichworte:
* anhaltend hohe Arbeitslosigkeit; ca. 20% bis 30% und höher
* eine noch dramatischere Jugendarbeitslosigkeit; von 50% bis weit darüber
* unkontrollierte Schattenwirtschaft
* Verarmung weiter Bevölkerungsgruppen, insbesondere der Mittelschichten
* ein unumkehrbarer Prozeß der Deindustrialisierung
* höhere Staatsverschuldung als bei Ausbruch der Eurokrise vor fast 5 Jahren
* ungezählte Banken der Südländer sind eigentlich pleite
* die Handels- und Zahlungsbilanzen der Südländer mit Deutschland sind anhaltend tiefrot negativ
Das sind die vielfältigen Verheerungen, die der Euro in Südeuropa angerichtet hat! Ungefähr ein Drittel der Bevölkerung lebt an oder unter der Armutsgrenze. Große Teile der Mittelschichten lösen sich auf. Das sind die Auswirkungen des Euro.
!!! Eine durchgreifende Besserung ist nicht in Sicht !!!
??? Warum diese unverbrüchliche Treue zum Euro ???
Wie lange machen das die Bevölkerungen im Süden noch mit?
Bakwahn
ehemals PC-Support und Netzwerkadministration
Hamburg Bangkok Düsseldorf